Frankfurter Rundschau
22.5.2009

Wenn Maden Mörder verraten

Forensische Biologie an der Uni Marburgt
Von Gesa Coordes

MARBURG. Das Eichenblatt war in den Kofferraum geweht. Da lag es, als die Polizei den Wuppertaler Autofahrer wegen Mordverdachts an seiner Ehefrau festnahm. Die 30-jährige Frau war ermordet in einem Wald bei Venlo neben einer Straße entdeckt worden. Der getrennt lebende Ehemann geriet auch gleich unter Verdacht. Allein: Nachweisen ließ es sich nicht. Er behauptete, nie auch nur in der Nähe des Waldes an der holländischen Grenze gewesen zu sein. Mangels Beweisen kam der Verdächtige frei.

Erst sechs Jahre später - 2004 - wurde das vertrocknete Eichenblatt zum entscheidenden Indiz. Mit Hilfe von Biologen der Marburger Philipps-Universität konnte das Bundeskriminalamt nachweisen, dass das Eichenblatt von einem Baum stammte, der unmittelbar neben der erdrosselten Frau gestanden hatte.

Die Marburger Biologen waren nämlich an einem großen europäischen Forschungsprojekt beteiligt, mit dem die genetische Vielfalt von Waldbäumen untersucht wurde. Dabei wurde eine Art Fingerabdruckverfahren für Bäume entwickelt. Die Marburger kümmerten sich vor allem um Eichen, Tannen und Buchen. Biologieprofessorin Birgit Ziegenhagen und ihr Team berieten das Bundeskriminalamt und halfen bei den Laubexperimenten des BKA-Experten Uwe Schleenbecker.

Schleenbecker reiste nach Venlo, wo er mehr als 40 Eichenblätter rund um den Fundort der Leiche pflückte. Nach wochenlangen Versuchen hatte er schließlich Erfolg: „Das Blatt aus dem Kofferraum konnte nur von einem einzigen Baum in unmittelbarer Nähe des Leichenfundorts stammen“, erklärt Ziegenhagen. Es hatte die gleichen genetischen Merkmale. Der Ehemann wurde 2006 zu acht Jahren Haft wegen Totschlags verurteilt.

„Das war der weltweit erste erfolgreiche Fall für dieses Verfahren“, weiß Ziegenhagen. Seitdem werden verstärkt neue molekulargenetische Verfahren bei der Auswertung von pflanzlichem und tierischem Beweismaterial eingesetzt. Und es war der Beginn der fruchtbaren Zusammenarbeit zwischen den Marburger Biologen und dem Bundeskriminalamt. Neuerdings kann der Fachbereich sogar mit einem bundesweit einmaligen Studienangebot für Forensische Biologie aufwarten. Am Ende des Sommersemesters werden Birgit Ziegenhagen, Nina Farwig, Martin Braendl, Gerhard Kost, Sascha Liepelt und Karl-Heinz Rexer gemeinsam mit Wissenschaftlern des Bundeskriminalamtes zeigen, wie Täter mit pflanzlichen und tierischen Spuren überführt werden können.

Dabei geht es natürlich nicht nur um das Laub der Bäume. Farwig und Braendl werden demonstrieren, wie die Forensiker anhand von Insekten und Maden den Todeszeitpunkt einer Leiche bestimmen. Das werden die Studierenden auch ganz praktisch mit Ratten oder Wildkadavern austesten. Karl-Heinz Rexers Spezialgebiet sind Giftpilze und halluzigene Pilze, die wie LSD wirken. Zudem gibt es Informationen zum illegalen Handel mit tropischen Hölzern, Saatgut sowie geschützten Orchideen und Korallen.

Das Kompaktseminar ist bereits so überlaufen, dass nur jeder siebte Interessent teilnehmen kann. Es wird aber in Zukunft jedes Jahr angeboten. Schließlich haben die Kriminalisten durchaus Bedarf an forensischen Biologen.